25. Februar 2012

George

Liebe Reisefreunde,

endlich gibt es wieder kostenlosen Internetzugang. Ich bin in der Outeniqua Lodge, in einer sehr gerpflegten Villa, untergebracht.

Fuer 12 Euro gibts ein Bett im Dormitory - noch bin ich allein.

Nun aber die Reiseerlebnisse bis hierher:

Ich bin nun seit zwei Wochen mit dem Rad unterwegs in Richtung Port Elizabeth - der dritte Teil meiner Suedafrika-Tour. Dabei lasse ich mir bewusst Zeit fuer die Besichtigung und Erfahrung der Kultur und der Landschaft der zum Teil sehr charmanten kleinen Staedte. Das bedeutet, dass ich manchmal nur kurze Etappen fahre oder zwei Tage am selben Ort bleibe. Wenn es drauf ankommt, sind aber auch mehr als 100 km Fahrstrecke moeglich. Damit zolle ich auch den zum Teil sehr hohen Mittagstemperaturen Respekt, die ein Weiterfahren gesundheitlich riskant werden lassen.

Der mich begleitende Autoverkehr ist sehr unterschiedlich.

Manchmal bin ich so allein auf der Strasse, dass ich mir aus Sicherheitsgruenden wuensche, ein Fahrzeug moege mich ueberholen.

Dann wieder ueberholen Kolonnen mit bruellenden Schwerlastwagen (erlaubt sind hier bis 100 Tonnen !) - so vor allem auf der Etappe ueber die N2.

Sicherheit gewaehrt dann ein breiter asphaltierter Seitenstreifen, der mit einer gelben Linie vom Fahrbahnbereich abgetrennt ist. Leider hat sich hier aber das "Yellow Line Driving" eingebuergert. Der langsamere Verkehr nutzt den Seitenstreifen als Fahrspur, um trotz Gegenverkehr ueberholt zu werden. Gerade in Steigungen sind daher die LKW-Fahrer aergerlich, wenn sie den Seitenstreifen verlassen muessen, um mich zu ueberholen.

Die Strassenfuehrung ist hier voellig anders als in Europa. So gut wie keine Strasse verlaeuft im Tal eines Flusses. Das Bestreben der Strassenbauer ist vielmehr, moeglichst lang auf dem Kamm einer Huegelkette zu bleiben. Das bedeutet aber am Ende der Kette vollstaendig ins naechste Tal hinunter und dann wieder auf den naechsten Bergruecken hoch zu fahren. So kommen schnell bei einer Tour im leichten Huegelland in der Summe 700 Hoehenmeter zusammen. Das macht das Radfahren anstrengender. Der Weitblick auf der naechsten Hoehe entschaedigt aber dafuer.

Nun aber zu den Teiletappen:

Am Donnerstag vor zwei Wochen (09. Februar) starte ich wieder wie zur Wineland-Tour durch die Vorstaedte von Cape Town bis Muizenberg.

In dem "Ocean Echo Hostel" bin ich heute ganz allein. Abends gibt Praesident Zuma seine Regierungserklaerung mit den Zielen fuers naechste Jahr ab. Ich kann sie im Fernsehen verfolgen: Auf den ersten Blick erscheint vieles vernuenftig. Beim zweiten Hinsehen merkt man aber, dass er viele Probleme des Landes nur aussitzt.

Grosse Infrastruktur-Projekte - insbesondere bei der Eisenbahn - werden versprochen, gleichzeitig baut Transnet bestehende Infrastruktur - zum Beispiel zweigleisige Hauptstrecken - auf Eingleisigkeit zurueck oder laesst bereits elektrifizierte Strecken verwahrlosen. Personenverkehr in der Flaeche gibt es schon laenger nicht mehr.

Zum Thema AIDS faellt ihm nur der Satz ein "Live Healthier Lives", zur Drogenproblematik wird nichts gesagt.

Am bedenklichsten erscheint die Aussage, dass die Rueckgabe der 1913 enteigneten Grundstuecke beschleunigt werden soll. Hoffentlich wirkt sich das nicht wie in Simbabwe aus...

Der zweite Tag fuehrt nach Gordon's Bay, einer Kleinstadt an der False Bay gegenueber der Kaphalbinsel. Dabei komme ich wieder am Rand der beruechtigten Township Khayelitsha vorbei, wieder ohne behelligt zu werden. Im Hostel wohne ich zusammen mit einer Gruppe farbiger Dauergaeste. Das Palawer dauert bis spaet in die Nacht.

Eine nur 39 km lange aber besonders schoene Etappe folgt nun ueber die Kuestenstrasse nach Betty's Bay. Die Strasse klebt am Berg ueber der Brandung. In Betty's Bay ist ein Paradies fuer Wellen-Surfer - entsprechendes Publikum findet sich im Hostel. Abends gesellt sich ein hollaendischer Reiseradler hinzu, der in die gleiche Richtung faehrt, aber laengere Tagesetappen plant. Wir schlafen in einer Holzhuette ohne jede Infrastruktur. Zum WC gehts ueber den Hof ins Hauptgebaeude.

Der Weg nach Hermanus ist die erste Strecke mit den im ingang erwaehnten Berg- und Talfahrten. Obwohl die Route der Kuestenlinie folgt gibt es kraeftige Steigungen. Hermanus ist ein sehr gepflegter Kuestenort vornehmlich fuer die aeltere Generation. Ein Klippenweg fuehrt an der Steilkueste entlan, Bademoeglichkeiten gibt es in der Stadt nicht. Ich goenne mir einen Tag Bergwandern in den angrenzenden Bergen des Fernkloof National Reserve. Von oben hat man schoene Ausblicke auf die Kueste. Die Regulations warnen davor, allein zu wandern, weil 2009 einzelne Gaeste von Bewohnern der angrenzenden Townships auf dem Wanderweg ueberfallen wurden. Mir ist jedoch niemand begegnet.

Das naechste Ziel ist Cape Aghulas, der suedlichste Punkt Afrikas. Das ist naemlich nicht das Cape of Good Hope. Dazu ist eine Zwischenstation in Napier erforderlich, einem etwas verschlafenen Ort mit beeindruckend grosser Kirche. Ich bin der einzige Gast im Guest House, ein junger Mann der dort wohnt, der einzige Mitarbeiter.

Nach anstrengender Fahrt am naechsten Tag bis Bredasdorp senkt sich die Strasse in die Sumpfebene des Kars River. Die 38 km dieses Abschnitts vergehen trotz Gegenwinds wie im Flug. In Struis Bay gibts ein brillantes Hostel. Ich bewohne einen Schlafsaal wieder allein. Am zweiten Tag des Aufenthalts fahre ich die letzten 6 km bis zum Kap. Dort ist die Kueste felsig trotz des flachen Hinterlands. Kurz vor dem Ende Afrikas erhebt sich nochmals ein 100 m hoher Felsruecken. Die meisten Schiffsungluecke sind uebrigens hier erfolgt - nicht am Kap. Davon zeugt der Torso eines chinesischen Frachters, der auf die Felsen gespuelt wurde. Nachmittags bleibt Zeit fuer ein Bad im indischen Ozean. Am Badestrand ist das Meer flach wie an der Adria und fast genauso warm. Abends gesellt sich ein belgischer Reiseradler hinzu, der die gesamte Tour von CapeTown bis PortElizabeth hin und zurueck - mit Umwegen ueber die Bergpaesse - in zwei Wochen erledigt hat.

Um nun wieder zurueck zur N2 und weiter zur Garden Route zu kommen, ist eine Rekordstrecke von 107 km bis Swellendam noetig. Ich starte frueh, bin um 10:00 Uhr bereits wieder in Bredasdorp. Jetzt folgt die Berg-und Talfahrt mit 700 Hoehenmetern auf 70 km. Ich teile mir die Strecke in Zeitabschnitte - also Pause alle zwei stunden. Gegen 12:00 Uhr gibts Mittagspause auf der Bruecke des Sout River - nur dort kann ich mein bepacktes Fahrrad anlehnen. Der Sockel des Betongelaenders ergibt auch eine eingeschraenkte Sitzmoeglichkeit. Mittagsruhe findet auf dem Seitenstreifen statt, im Schutz des angelehnten Fahrrads. Der naechste Teil wird muehsam, weil zunaechst dier Steigungen ueberwiegen. Am Eingangsgitter einer Umspannstation kann ich gegen 16:00 Uhr nochmals entspannen. Dann folgt die Abfahrt ins Breede-Tal zur N2. Die letzten 14 km dort sind nervig wegen dem intensiven Wochenendverkehr - heute ist Freitag. In Swellendam finde ich das gebuchte "Adventure Hostel". Die Unterbringung erfolgt in einer Wellblechhuette - aehnlich denen in den Townships. Dusche und WC wieder ueber den Hof. Dennoch bleibe ich zwei Tage, um mir das sehenswerte Stadtmuseum anzuschauen. Es dokumentiert die Geschichte dieser drittaeltesten Gemeinde in Suedafrika. Heute lebt sie von Tourismus und Wandertouren in die angrenzenden Berge. Wegen eines Waldbrandes vor 14 Tagen bleiben die WEge aber fuer die naechsten zwei Jahre aus Sicherheitsgruenden gesperrt.

Von Swellendam moechte ich am Sonntag eigentlich bis Riversdale ueber 90 km durchradeln. Der kath. Sonntagsgottesdienst verhindert aber eine fruehe Abfahrt, die heute besondrs heisse Sonne erzeugt einen gluehenden Asphalt, schliesslich huellen sich die ueberholenden Fahrzeuge in eine Hitzewelle aus Motorkuehlung und Klimaanlage. Als mein Wasservorrat zur Neige geht, beschliesse ich in "Heidelberg" 30 km vor den Ziel die Tagesetappe vorzeitig zu beenden. Ein klimatisiertes Zimmer im guesrhouse 'Aan de Kanaal" erscheint wie der Himmel auf Erden.

Die letzten 30 km bis Riversdale am naechsten Tag sind dann nur kurz. Ich wohne im 1880 als Pfarrhaus errichteten herrschaftlichen Gebaeude im Doppelbettschalfzimmer mit Blick ueber den 1 ha grossen Garten zu den Bergen jenseits des Vet River.

Die Ruhe dieses Tages erlaubt mir dann die folgende Etappe zu verdoppeln. Eigentlich nur bis Albertinia (40 km) geplant, fahre ich durch bis MosselBay (90 km). Im Backpackers ist leider nur eine Nacht frei, sodass ich fuer die folgenden beiden Tage in die Park House Lodge umziehe. Das ist durchaus ein Gewinn. Auch dieses Haus war eine viktorianische Villa, die aus Anlass der Fussball-WM in ein ansprechendes Guesthouse umgewandelt wurde. Die Mitarbeiterin am Empfang ist deutsche Praktikantin. Das erlaubt eine etwas ausfuehrlichere Kommunikation. Da gerade die Polizei von Swellendam ihre Trainingstage absoviert, sind alle Dormitory-Betten ausgebucht. Ich erhalte fuer wenig mehr ein eigenes Zimmer mit Fenster zum Garten und Stadtpark. Schon am ersten Nachmittag wandere ich zum Leuchtturm an der Spitze der Halbinsel auf der MosselBay liegt. Unterhalb beginnt ein abenteuerlicher Klippenweg auf der dem offenen Ozean zugewandten Seite. Ich folge diesem, bis der heftige Sturm mich wegzuwehen droht. Die Fortsetzung erfolgt am folgenden Tag. Es gibt jeweils inoffizielle Querwege zum Villenviertel auf dem Ruecken des Berges. Manchmal landet man dabei aber in abgeschlossenen Wohnzonen...

Eine Hauptattraktion von MosselBay ist aber das ehemalige Dampflok-BW. Nach Anmeldung im Office darf ich ungestoert zwischen den vor sich hinrostenden Stahlroessern herumturnen und fotografieren. Sie sind offenbar vor Jahren abfahrbereit strhen geblieben. Im hoch gefuellten Kohletender waechst das Gras, das Schmieroel ist inzwischen verharzt... Die frueher fahrenden Museumszuege zwischen Knysna und MosselBay stehen ungeschuetzt auf dem Abstellgleis

Heute nun gehts nach George, dem Zentrum der suedafrikanischen Museumsbahnen. Obwohl nur 50 km lang, dauert die Fahrt - mit Mittagspause - fast 7 Stunden. George liegt auf einer Hochebene am Rande der Outeniqua Mountains. Die ehemalige Eisenbahn-Passstrecke ueber diese Berge wird mit einer Motordraisine vom Museum aus befahren. Leider sind beide Touren morgen schon ausgebucht.

Viele Gruesse aus der Eisenbahnstadt George

Joachim Heidinger