20. September 2011

Klaipeda

Hallo liebe Leser,

Zwei Tage in Riga sind kulturelle Highlights. Nach der verregneten Ankunft klart es abends auf. Ich frage im Hostel nach dem Opernprogramm - das Internet weiss alles... Heute gibts ein Ballet (schon wieder..) nach der Musik von Franz Liszt, morgen den "Barbier von Sevilla", Oper von Rossini.

Gleich heute starte ich also noch zum Opernhaus (nur 10 min Fussweg) und erhalte fuer 2.50 Euro eine Stehplatzkarte - die preiswerteste Sitzkarte kostet auch nur 4 Euro. Tatsaechlich sind aber so viele Plaetze frei, dass ich auch nicht stehen muss. Die Auffuehrung begeistert nicht ganz so wie die in Tallinn - dennoch aber solide mit hervorragenden Musikern.

Den Zweiten Tag nutze ich, die linke Flussseite von Riga kennen zu lernen. Die Sanierungsarbeiten sind noch nicht bis hierher vorgedrungen - ein Strassenbild wie in den fuenfziger Jahren. Ausnahme ist eine Insel zwischen Fluss und Hafenkanal: Dort enstehen neue Buerohaeuser mit attraktivem Blick auf die Skyline von Riga.

Der Opernabend ist einzigartig: Die Handlung wird in die Zeit der franzoesischen Revolution verlegt, Figaro ist ein Faktotum zwischen Anfuehrer einer verwahrlosten Jakobinergruppe und Gewinner beim Einschmeicheln bei den Adligen. Er singt und spielt alle an die Wand...

Der Sonntag ist nun Abreisetag nach Liepaja. Der einzige Zug faehrt erst 18:30 Uhr und ist kurz vor 22:00 Uhr am Ziel. So habe ich noch einen ruhigen Sonntag mit Gotesdienstbesuch und Kunstmuseum.

Die Abfahrt verzoegert sich um 25 Minuten - weil der Zug schon einen Vorlauf hat. Einsteigen ist wie immer abenteuerlich: etwa 1 Meter hoch muss ich Gepaeck und Fahrrad ueber eine leiteraehnliche Wagentreppe stemmen. Der Zug rattert ueber eine schlecht gewartete Nebenstrecke - die einzige aber, die noch an die suedliche Ostseekueste fuehrt. Trotz spaeter Ankunft finde ich dank der Karte im "Lonely Planet" das versteckt liegende Hostel. Fuer nur etwa 9 Euro gibts ein Bett im Viererzimmer. Das Hostel ist weitgehend leer. Eigentlich stellt man sich hier schon auf die Wintersaison ein.

Der naechste Tag ist nochmals ein Radreisetag. 100 km gehts an der Kuestenstrasse entlang nach Klaipeda. Der Himmel zeigt vielversprechend zunaechst nur leichte Bewoelkung, die aber im Laufe des Tages zunimmt. Am Ziel regnet es leicht aber dauerhaft.

Unterwegs besuche ich fuer eine kurze Pause das Seebad Palanga 30 km vor Klaipeda. Mit EU-Mitteln ist ein nagelneuer Flughafen entstanden. Bisher kann man aber nur nach Riga, Oslo oder Kopenhagen fliegen.
In Klaipeda finde ich das direkt gegenueber vom Busbahnhof liegende Hostel. Nur zwei Zimmer mit je 12 Bwetten gibts und eine (!) Dusche. Ich bin aber froh fuer die naechsten Tage preiswert unter zu kommen.

Um nun ein Ticket fuer die Faehre zu buchen, versuche ich mein Glueck beim Faehrhafen. Dieser ist weit ausserhalb der Stadt nur ueber eine abenteuerliche Nebenstrasse erreichbar, mindestens 10 km Fahrt. Als ich dort bin, ist das DFDS Lisco Buero schon geschlossen. Ich solle morgen in ein Buchungsbuero in der Altstadt gehen...

Heute nun bekomme ich problemlos die gewuenschte Buchung fuer den 22.09. Ich buche Schlafsessel mit Fruehstucksbuffet und Fahrrad-Ticket fuer 58 Euro.

Dann gehts auf die kurische Nehrung. Die Sonne scheint strahlend. Es gibt nur leichen Westwind - ideales Wetter also fuer die Radtour. Eine Faehre bringt mich auf die Halbinsel - tatsaechlich fliesst also die Memel erst in Klaipeda ins Meer. Auf der Nehrung ist ein verzweigtes Radwegenetz entstanden, meist sogar asphaltiert. Leider verlaeuft der Weg aber durchweg hinter der Duene. Deshalb goenne ich mir die etwas anstrengendere Fahrt direkt im Sand. Fast durchweg ist er so hart, dass das Rad nicht einsinkt. Unterwegs treffe ich mehrere Bernsteinsammler. Es gibt immer noch etwas zu finden...

Der Rueckweg ist dann einfacher auf der durchgehenden Strasse an der oestlichen Seite zum Haff. Immer wieder oeffnen sich Blicke auf die riesigen Hafenanlagen von Klaipeda. Auf der hoehen Duene sitzend geniesse ich zum Abschluss die sinkende Sonne ueber der Ostsee. Schade, dass ich nicht bis zum Sonnenuntergang hier sitzen bleiben kann.

Viele Gruesse aus Klaipeda

Joachim Heidinger