29. August 2011

Vilnius

Hallo liebe Leser,

nach einer weiteren Woche bin ich nun in der Hauptstadt Litauens, in Vilnius eingetroffen. In der Jugendherberge gibt es wieder kostenlosen Internetzugang - mit einigen Stoerungen...

In Warschau habe ich zwei Naechte verbracht. Die Stadt hat vieles zu bieten, was nach der Zerstoerung im 2. Weltkrieg wieder aufgebaut wurde. Erinnert wird auch an die Zeit des Warschauer Gettos. Am zugehoerigen Demkmal hat damals Willy Brandt seinen Kniefall vollzogen. Diesem Ereignis ist eine eigener Gedenkstein gewidmet. Auch heisst der Platz heute nach Willy Brandt.

Die Museen fuer Marie Curie (geboren in Warschau) und Adam Makiewicz, polnischer Dichter aus Vilnius (!) zeugen von der polnischen Wissenschaft und Kultur der Vergangenheit.

Die Ausfahrt aus der Stadt am naechsten Morgen beginnt zunaechst wieder mit etwas Autobahn-Stress. Auch die Nebenstrasse traegt heftigen Verkehr - schmale Strasse mit viel Schwerverkehr. In Pultusk ueberrascht mich wieder ein kurzes Gewitter. Nach einer Stunde gehts weiter - auf nasser Strasse mit entsprechender Dusche beim Ueberholen von LKWs.

In Rozan finde ich in einem etwas undurchsichtigen Hotel ein Zimmer. Die aufdringliche Freundlichkeit der angetrunkenen Gaeste im sonst leeren Restaurant geht mir dann doch auf die Nerven.

Der naechste Tag fuehrt bereits nach Masuren. Am Suedrand in Zgon finde ich ein ueberraschend angenehmes Zimmer in einem Privathaus fuer nur 50 Zloty. Die Dusche ist etwas rustikal in einer Bretterhuette auf dem Hof untergebracht...

Der Weg an den masurischen Seen entlang fuehrt ueber die klassische Schiffsroute von Ruciane-Nida ueber Mikolajki nach Gizycko. Dort komme ich in der "Feste Boyen" in der ehemaligen Jugendherberge fuer nur 25 Zloty unter. Es gibt noch die uebliche Infrastruktur eines Hostels - aber niemand kuemmert sich um den schleichenden Zerfall.

Einen Tag auf den Seen goenne ich mir von hier aus. Morgens faehrt ein oeffentliches Schiff von Gizycko ueber mehrere Seen und Verbindungskanaele wieder zurueck nach Mikolajki. Ich geniesse die Fahrt und die Sicht vom Wasser auf die idyllischen Badebuchten. Hier sind hunderte von Segeljachten unterwegs, die man an den jeweiligen Orten fuer wenig Geld mieten kann.

Ab nun geht es strikt nach Osten. Die Sonne scheint jeden Tag heisser, der Wind dreht sich auf einen stuermischen Suedwind - das verheisst weiterhin gutes Wetter. Ueber Olecko fahre ich heute nach Suwalki, der letzten Station in Polen. Dabei treffe ich drei junge deutsche Studenten aus Rostock, die ebenfalls mit den Rad nach Vilnius unterwegs sind. Sie uebernachten aber meist mit Zelt im Wald - nichts fuer mich. Am Sonntagmorgen treffe ich sie in Trakai wieder - nach einer Nacht im Wald...

In Suwalki waehle ich zur Abwechslung den privaten Campingplatz - sozusagen im Vorgarten eines Privathauses, weil das oertliche Hotel noch mit sozialistischer Betonarchitektur abschreckt.

Die Einreise nach Litauen erfolgt genauso unkontrolliert wie die Einreise nach Polen. Es gibt aber schon wieder neues Geld. Leider stehen beim "Kantor" an der Grenze 20 Busreisende an, sodass ich in die naechste Stadt weiterfahre. Die steckt aber im samstaeglichen Nachmittagsschlaf - also hilft nur ein Geldautomat. Ein Euro sind ungefaehr 3,4 Litwa.

So versorgt mache ich mich noch auf die 45 km Steecke bis Alytus. Die Strasse ist breit, gut asphaltiert und fast ohne Verkehr. Die Litauer ueberholen mich grundsaetzlich ohne anzuhalten. Das ist heute ungefaehrlich, weil dem Gegenverkehr genug Platz bleibt. Am naechsten Tag kommt es aber vor einer Kuppe zu einem Beinahe-Zusammenstoss der PkWs.

In Alytus bin ich ziemlich ausgelaugt. Heute war es 30 Grad heiss. Daher bin ich froh, dass mir ein Tankstellenbesitzer mit Hilfe eines Stadtplans sofort das oertliche Hotel zeigt (Einzelzimmer fuer 60 Lt.)

Der Weg aus der Stadt wird am Sonntagmorgen mal wieder kompliziert, weil die offizielle Ausfahrt komplett gesperrt ist wegen Strassenerneuerung. Mehrfaches Fragen hilft aber, den richtigen Stadtausgang nach Trakai zu finden. Die Verhaeltnisse sind traumhaft: Dichte Wolken kuehlen die Luft ohne Regen, die Strasse ist breit, glatt und sonntaeglich ruhig. Nach 25 km mache ich Pause in eine seheswerten klassizistischen Holzkirche. Um 12:00 Uhr (OEZ) soll der Gottesdienst bginen. Der Pfarrer laesst sich aber Zeit - solange singt schon mal der Maedchenchor... Dann gibt es eine Taufe zu Beginn, zwei Lesungen und lange Psalmgesaenge. Nach einer Stunde (bei der Predigt) breche ich auf zur Weiterfahrt.

Die geplante Mittagspause in Rudiskies auf dem nagelneu renovierten Bahnhof (8 Zugfahrten am Tag) muss leider ausfallen, weil zwei Betrunkene aufdringlich werden. So bin ich schon um 17:00 Uhr in Trakai - nehme gleich am Ortseingang ein wunderschoenes Privatzimmer mit Garten zum See und begebe mich nach kurzem Imbiss im Zimmer zur eindrucksvollen Burg auf der Seeinsel. Eine Postkartenidylle erwartet mich, da inzwischen die Sonne scheint. Den Sonnenuntergang ueber dem See erlebe ich dann in der Hollywood-Schaukel auf dem privaten Angelsteg meines Quartiergebers...
Heute sind nur noch 26 km bis Vilnius zurueckzulegen. Die habens aber in sich. Nach vielversprechendem Anfang reduziert sich die gewaehlte Nebenstrasse auf die Breite eines asphaltierten Feldwegs mit breitem Schotterstreifen an den Raendern. Mehrere Verteilzentren fuer Litauen liegen an der Strasse. Die 40-Tonner rumpeln zur Haelfte ueber die Schotterpiste. Eine Bruecken-Baustelle ist zu durchqueren. Schliesslich lege ich rasant die letzten 10 km auf der Stadtautobahn - incl. 300 m Tunnel unter dem Parlamentsgebaeude zurueck.

Die (einzige) Jugendherberge in Litauen liegt etwas ausserhalb, laesst sich aber mit den Karten im "Lonely Planet" Reisefuehrer finden. Am Nachmittag breche ich zur Stadterkundung auf. Nach dem Einkauf im "Panorama" Shopping Center gelange ich zu einer Open Air Veranstaltung von TV 3 waehrend der die "EuroBasket 2011" eroeffnet wird. Es geraet zu einer Veranstaltung mit viel Nationalstolz in den Landesfarben Gelb-Rot-Gruen.

Viele Gruesse aus dem stolzen Vilnius

Joachim Heidinger